Date: 2016.01.20 | Category: EHF, EU Commission, Euroleague Handball | Tags:

Wir bereits Anfang der Woche vermeldet, hat das deutsche HANDELSBLATT  in einem Artikel von Erik Eggers über die Pläne der ‘Premier Handball League’ berichtet. Wegen der Bedeutung des Artikels für den Handballsport zitieren wir den Artikel im folgenden in voller Länge (und bedanken uns gleichzeitig für die Genehmigung des Autors):

HANDELSBLATT, 18.1.16: Handball Weltliga wird konkreter

‘Der ganz große Wurf’ von Erik Eggers

Die Idee von einer Superliga im Handball, an der nur europäische Topteams teilnehmen, soll bis 2019 Wirklichkeit werden. Die Ambitionen sind groß, sogar den US-Markt will die „Premier Handball League“ erobern.

Düsseldorf. Die Aktiengesellschaft, die am 25. November 2015 unter der Handelsregister-Nummer CH-020 .3402.676-5 in Zürich eingetragen worden ist, ist bislang nur wenigen Insidern bekannt. Doch die neue Firma namens „Premier Handball League AG“ (PHL) könnte die Gewichte im Handballsport verschieben. Im Kern dreht es sich bei dem Projekt um den Aufau einer privat organisierten internationalen Profiliga, bei der die PHL den Spielbetrieb organisiert und die Rechteverwertung für die Klubs übernimmt.

Präsident des Verwaltungsrates ist Wolfgang Gütschow. Der 53-jährige ist seit Jahrzehnten im Handballbusiness unterwegs, zunächst seit 1993 als Manager der russischen Nationalmannschaft, danach als Spielermanager. Zu seinen Klienten gehören Bundestrainer Dagur Sigurdsson und Torhüter Carsten Lichtlein die beide derzeit mit der deutschen Nationalmannschaft die Europameisterschaft in Polen bestreiten.

Seit einem Jahr arbeitet Gütschow, einer der führenden Köpfe der Szene, hinter den Kulissen an der Idee einer neuen Liga nach dem Muster der nordamerikanischen Profi-Basketballliga NBA. Die PHL soll ab dem Jahr 2019 die Champions League ersetzen, die seit 1993 von der Europäischen Handball Föderation (EHF) organisiert wird. „Handball hat kein vermarktbares Premiumprodukt“, erklärt Gütschow. Die Sportart benötige dringend einen Modernisierungs­schub.

Wie groß die Ambitionen der PHL sind und wie konkret die Pläne, unterstreicht diese Personalie: Peter Vargo, 45, langjähriger EHF-Marketingchef, hat nach Informationen des Handelsblatts seinen Vertrag bei der EHF gekündigt und steigt demnächst bei der PHL ein.

Ein weiteres herausragendes Motiv der Initiatoren ist ihre Einschätzung, dass es bei wichtigen Spielen auf höchstem Niveau nicht immer mit rechten Dingen zugeht. „Es bedarf einer kompletten Neustrukturierung des Schiedsrichterwesens. Die internationalen Verbände können schon lange keine neutrale Wettkampfleitung mehr gewährleisten. Aber genau das ist die Basis eines jeden sportlichen Vergleichs“, sagt Gütschow.

Der administrative Rahmen der PHL ist bereits geschaffen. Die AG in Zürich fungiert als Holding, sie ist Inhaberin der Vermarktungsrechte und soll die Finanzierung der Liga verantworten. Operieren soll die neue Liga von Berlin aus: Die PHL License GmbH & Co. KG befindet sich in der Gründungsphase.

Die Protagonisten planen ein Franchise-System mit zwölf Lizenznehmern zunächst aus zwölf europäischen Metropolen. Also eine reine Lizenzliga, die ohne Auf- und Abstieg organisiert ist. „Dass Großstädte wie Berlin, Paris, Barcelona oder Moskau mitmachen, ist die Bedingung unserer Rechtepartner und Investoren, die das Ziel verfolgen, zu einem späteren Zeitpunkt Handball auf dem US-Markt zu positionieren“, sagt Gütschow. „Warum nicht irgendwann Dubai gegen Chicago, München gegen Liverpool? Wir müssen lernen, Handball zu träumen.“

Klubs aus kleineren Städten seien keineswegs ausgeschlossen. Ein Team wie die Kadetten Schaffhausen etwa könne in Zürich als „Swiss Cadetts“ spielen, so Gütschow, auch sei ein deutsch-dänisches Joint Venture von Klubs wie Kopenhagen und Flensburg denkbar. „Erst wenn so etwas passiert, machen wir den ersten Schritt auf NBA-Niveau. Die Spitze der Branche muss sich von Provinzimage und Kapuzenjacken trennen.“

Das Spieljahr soll von Februar bis Dezember dauern. Zwei Klubs sollen aus Deutschland stammen. „Das würde auch den Kalender der Bundesliga entlasten. Wir streben ein partnerschaftliches Verhältnis mit den nationalen Ligen an“, betont Gütschow.

Ihm und Vargo schweben eine konsequente Markenbildung der Klubs vor. Außerdem will die PHL mit einem Pool aus Profischiedsrichtern arbeiten, die Regeln vereinfachen, Videobeweise einführen und sogenannte Wurfuhren einführen, um Passivität zu unterbinden und das Spiel schneller zu machen.

Die Finanzierung der neuen Liga sei durch die Übernahme von TV- und Werberechten bereits gesichert, sagt Gütschow, aber vor 2019 sei der Start der PHL nicht möglich: „So etwas braucht eine gewissenhafte Vorbereitung mit erfahrenen Spitzenkräften für das Management.“ Und dann ist da ja noch mit starkem Gegenwind seitens Internationaler Handball-Föderation (IHF) und der EHF zu rechnen.

„Eine solche Liga ist möglich“, glaubt Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), die als stärkste nationale Liga der Welt gilt. „Auf jeden Fall verschärft diese Liga den Wettbewerb. Aber die Dachverbände werden sich auf die Hinterbeine stellen.“ Er rechnet mit Sperren gegen die PHL-Profis, mit harten juristischen Konflikten. „Es ist nachvollziehbar, dass die Verbände ihre Monopolstellung bei der Organisation von Handballveranstaltungen mit Sanktionen behaupten wollen“, erwartet auch Gütschow Widerstände.

Ob die Weltliga kommt oder nicht, liege aber letztlich in der Hand der großen Klubs aus Paris, Barcelona, Veszprém, Kiel, Berlin oder Flensburg, stellt Giorgio Behr, der starke Mann hinter dem Schweizer Champions-League-Teilnehmer Schaffhausen klar. Deutschlands erfolgreichstes Handballteam, der THW Kiel, scheint gewillt. „Wir sind wie andere Topklubs von den Initiatoren über dieses Projekt informiert worden und sehen darin eine große Chance“, sagte THW-Geschäftsführer Thorsten Storm dem Handelsblatt. Eine Entscheidung steht zwar noch aus, aber der Frust ist groß. In der Champions League gebe es etliche Baustellen – etwa die begrenzten Vermarktungsmöglichkeiten und die viel zu hohe Belastung der Spieler, beklagt Storm. Das wollen die Vereine ändern: „Wir bezahlen die Spieler, die Spieler werfen die Tore, aber die Regeln bestimmen andere.“

Das im Jahr 2007 gegründete Forum Club Handball (FCH) fungiert, wie die European Club Association (ECA) im Profifußball, als Interessenorganisation der europäischen Spitzenklubs. FCH-Geschäftsführer Gerd Butzeck, 57, äußert sich zu den Plänen einer Weltliga. 

Herr Butzeck, ist das Modell einer privat organisierten Handball-Liga realistisch?

Warum nicht? Immer wieder kommt von verschiedenen Seiten der Ruf nach einer von den Klubs selbst organisierten Champions League auf. Im Basketball, Eishockey und im Rugby wird die Champions League von Firmen organisiert, die mehrheitlich den Klubs gehören. Kürzlich hat ECA-Präsident Karl-Heinz Rummenigge geäußert, dass er sich eine europäische Superliga mit den Topklubs aus England, Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich, entweder privat oder von der Uefa organisiert, durchaus vorstellen könne.

Die Topvereine im Handball hadern mit der wirtschaftlichen Bilanz ihrer Champions League.

Die Velux Champions League hat sich zu einem etablierten Produkt entwickelt. Die Einnahmen der Klubs sind allerdings in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Einige Vereine sind mit der Champions League nicht einverstanden, weil zu viele Spiele stattfinden – andere, weil zu wenige Spiele stattfinden. Alle kritisieren gemeinsam, dass die Ausschüttung an die Vereine zu gering ist.

Eine privat organisierte Liga wird auch den Weltverband IHF berühren. Stört das das Verhältnis der Klubs zur IHF?

Die Klubs beklagen die Ignoranz der IHF auf allen Ebenen. Während der Weltfußball­verband Fifa mit der ECA eine Vereinbarung getroffen hat, negiert die IHF die Existenz der Klubs. Gespräche finden nicht statt. Die IHF regiert den Handball, ohne mit den Hauptprotagonisten, den Klubs, zu sprechen. Regeländerungen, etwa der Fernsehbeweis, passives Spiel oder die Blaue Karte werden ohne jede Rücksprache mit den Klubs eingeführt und wieder abgeschafft. Eine private Liga könnte die bestehenden verkrusteten Strukturen aufbrechen und das Produkt nachhaltig verbessern.

Wie werden die Klubs auf die Offerte der PHL reagieren?

Sie werden das Angebot aufmerksam studieren, wenn es sich um einen attraktiven Wettbewerb mit deutlich besseren Einnahmemöglichkeiten handelt. Die EHF wird über einen konkurrierenden Wettbewerb natürlich nicht begeistert sein, da sie ihr Budget teilweise aus den Einnahmen der Champions League generiert. Aber die letzte Entscheidung werden die Klubs treffen müssen.

 

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